Veröffentlicht: Sternzeit 71787 (15. Oktober 2394)
Von: Cpt. Nadine Sophie Keller
Zunächst zum offiziellen Teil:
Es ist mittlerweile eine Woche vergangen, seitdem uns die Klingonen verlassen haben. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Die Dreyar haben unseren Erklärungen glücklicherweise Glauben geschenkt, so dass sich an unserer Abmachung nichts geändert hat: Wir warten bei der Raumstation, die wir eingenommen haben, auf Meldung von Flottenkommandeur cel Mare. Dieser wird uns mitteilen, ob die dreyanische Regierung mit meinem Vorschlag einverstanden ist: Ich werde mich den Gerichten der Dreyar stellen, sofern im Gegenzug die Besatzung verschont bleibt. In der Zwischenzeit steht es uns zudem frei, die Station zu nutzen, um mit der Heimat in Kontakt zu treten. Ich stehe noch immer hinder dieser Entscheidung, bietet es meiner Crew doch die Möglichkeit, endlich Frieden zu finden.
Die Wartungsarbeiten an der Allende sind unterdessen abgeschlossen worden. Unsere Deflektorschilde sind wieder einsatzbereit und die Schäden durch den klingonischen Angriff konnten repariert werden. Was die Raumstation angeht, so haben unsere Ingenieure in den letzten Tagen hervorragende Arbeit geleistet. Die Tachyonemitter sind mittlerweile einsatzbereit, so dass wir morgen einen ersten Versuch starten können, die Hypersubraumverwerfung im mikroskopischen Ausmaß zu öffnen und mit der Sternenflotte in Kontakt zu treten. Wenn uns das gelingt, dürfte einem regelmäßigen Austausch nichts mehr im Weg stehen. Es dürfte die doch sehr bedrückte Stimmung an Bord aufhellen.
Und nun zum persönlichen Teil:
So erfreulich auch der Zustand des Schiffes sein mag, so unerfreulich erscheint mir mein eigener. Nicht nur, dass ich damit rechnen muss, jeden Tag von den Dreyar mitgenommen und von meinen Kindern getrennt zu werden. Auch Francine, die noch immer wegen ihrer Messerstichverletzung im Koma liegt, bereitet mir unendlich Kummer. Sie selbst ist zwar über den Berg, doch wollen die Ärzte sie nicht erwecken, solange ihr ungeborenes Kind noch in Gefahr schwebt. Denn dieses wurde durch den enormen Blutverlust und Stress beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen. Und auch wenn wir uns auseinandergelebt haben und im Streit befinden, so muss ich jetzt, wo ich bald gehen muss und sie im Koma liegt, feststellen, dass mein Herz noch immer an ihr hängt. Und die Tatsache, dass ich mich nicht von ihr verabschieden kann wegen dieses Kindes, welches sie von ihrem neuen Kerl hat… Ich hasse mich selbst dafür, so zu denken, aber ich wünschte, dass es nie entstanden wäre.
Doch mittlerweile weiß ich insgesamt nicht mehr, was ich denken soll. Was in mir vorgeht. Alles geht in mir drunter und drüber. Es erinnert mich sehr an die Zeit nach meiner Trennung von Reon… Gemischt mit der Zeit nach meiner Vergewaltigung auf PX-312. Es ist diese Ausweglosigkeit, gepaart mit den hohen Erwartungen und Pflichten, denen ich mich einfach nicht gewachsen fühle… Die nicht nur von außen an mich gestellt werden, sondern die ich auch selbst an mich stelle. Früher war es immer Francine, die mir Stabilität gab. Sie verstand es wie keine Zweite, mich aufzubauen. Doch ist sie nun nicht mehr da… Damit meine ich nicht nur ihr Koma. Sondern auch, dass sie nichts mehr von mir wissen will. Und der Gedanke daran lässt mich immer zu in Tränen ausbrechen, wenn ich unsere Kinder ansehe oder alleine im Bett liege.
Glücklicherweise haben Bastian und Manuel in den letzten Tagen dazu beigetragen, dass ich nicht aus der nächsten Luftschleuse gestiegen bin. Bastian, mein wohl ältester Freund, weiß zum Glück recht gut, wo er ansetzen muss, um mich aus der ein oder anderen Grube herauszuholen. Er weiß die reife Seite in mir anzusprechen, mein Verantwortungsbewusstsein zu wecken und mir aufzuzeigen, worum es sich zu kämpfen lohnt. Was mir dabei hilft, im Moment weiter voranzugehen.
Manuel auf der anderen Seite weckt das vergrabene Kind in mir. Zum Beispiel hat er mich nach meiner Rettung doch tatsächlich aus der Krankenstation heraus geschmuggelt, als ich es nicht mehr dort aushielt. Natürlich war Dr. Lerchenfeld alles andere als erfreut, aber in diesem Moment war es mir so ziemlich egal. Und ist es mir bis jetzt. Ich merke eh immer mehr, wie gut es mir in solchen Phasen tut, einfach mal meine kindische Seite herauskommen zu lassen. Und das zu bewerkstelligen versteht er. Ich bin wirklich froh, dass wir uns angefreundet haben, während das Außenteam die 4 Monate in der Vergangenheit festgesteckt hat und wir glaubten, es sei umgekommen. Ohne ihn würde ich wohl längst vergessen haben, dass es im Leben mehr gibt als die Verpflichtungen, die mein momentanes Amt mit sich bringt. Natürlich komme ich durch diese Freundschaft in ein ziemliche unangenehmes Dilemma, insbesondere da ich vor einer Woche etwas getan habe, was ich nicht hätte tun dürfen. Und seitdem schwanke ich immer mehr zwischen meinen Launen hin und her. Zweifel, Depression, Euphorie, Lust. Es wechselt im Moment bei mir von Tag zu Tag. Hat fast schon etwas schizophrenes… Doch da ich das Schiff bald verlassen muss, ist mir das im Moment völlig egal. Ich nehme mir jetzt, was ich brauche, solange ich es noch kann. Bevor ich in einem dreyanischen Gefängnis verrotten muss… Oder hingerichtet werde. Wobei ich nicht weiß, welches das bessere Schicksal für mich wäre.
Ende des Eintrags.
